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Renten-Garantie ist ein Polit-Gag

Nordwest Zeitung: Herr Miegel, „die Rentenhöhe ist sicher" - was ist diese Garantie der Bundesregierung wert?

Meinhard Miegel: Für mich ist das Ganze ein Polit-Gag. Die Rente ist sicher - nominal betrachtet, galt das auch für die Vergangenheit. Was nützt mir aber eine Rentenerhöhung von einem Prozent bei einer Inflationsrate von vier Prozent? Tatsächlich sind die Renten, was die Kaufkraft angeht, in den letzten Jahren kräftig gesunken. Was die Regierung macht, ist reine Symbolik und ich fürchte, dass selbst die Symbolik nicht durchzuhalten sein wird.

Nordwest Zeitung: Was ist die Renteformel noch wert?

Meinhard Miegel: Man sieht, dass in die Rentenformel permanent eingegriffen wird. Das ist nicht neu. Seit den 70er Jahren wird ständig an der Formel herummanipuliert.

Nordwest Zeitung: Was wären richtige Maßnahmen, um die Verlässlichkeit des Systems zu stärken?

Meinhard Miegel: Was die rot-grüne Regierung einleitete, war durchaus schlüssig: Die Entwicklung der Renten in Übereinstimmung zu bringen mit der Entwicklung der Bevölkerung und der Belastung der Arbeitenden. Damit wäre das Rentensystem bis in die 2030er Jahre stabilisiert worden. Aber vor allem der Riesterfaktor wurde in den letzten anderthalb Jahren ausgehöhlt. Gestern folgte ein weiterer Schritt.

Nordwest Zeitung: Mit welchem Effekt?

Meinhard Miegel: Damit wird weitgehend der Zustand wieder hergestellt, den es vor der Riesterreform gab. Das ist kein stabiles System.

Nordwest Zeitung: Ist der Riesteranreiz zur privaten Vorsorge ein Stück gekippt worden?

Meinhard Miegel: Nun ja, man kann ja weiter „riestern". Doch wird wieder so getan, als ginge es vor allem um die gesetzliche Rente. Alles andere ist Beiwerk. Das Ziel, die Alterssicherung auf zwei solide Beine zu stellen, gesetzlich und privat, wird nicht mehr ernsthaft verfolgt.

Nordwest Zeitung: Wo steuern wir hin?

Meinhard Miegel: Die gesetzliche Rente steuert auf eine Grundsicherung zu. Das Rentenniveau wird von 48 auf etwa 42 Prozent heruntergefahren. Für die Mehrheit der Rentner reicht das zu Leben, aber nicht zur Lebensstandard-Sicherung.

Nordwest Zeitung: Auf der Überweisung steht Rente, aber Sozialhilfe ist gemeint?

Meinhard Miegel: So könnte man es sagen.

Nordwest Zeitung: Was wären Ihre Forderungen an die nächste Bundesregierung?

Meinhard Miegel: Seit 25 Jahren postuliere ich eine steuerfinanzierte Grundsicherung - in gleicher Höhe für Beamte, Professoren, Politiker und alle anderen Beschäftigten. Das könnten wir uns leisten. Darüber hinaus greift private Vorsorge. Mit dieser Systemumstellung wären wir aus dem Schlamassel raus. Dann bräuchten wir die jetzige Diskussion nicht zu führen.

Nordwest Zeitung: Die Chance zur Systemumstellung ist vorbei?

Meinhard Miegel: Wir werden nicht darum herumkommen, uns in diese Richtung zu bewegen. Die Zukunft der Rentenversicherung ist die Grundsicherung. Ob sie über Beiträge oder Steuern finanziert wird, ist eher nachrangig. Schon heute wird ein Drittel der Rentenleistungen aus Steuern finanziert. Und dieser Anteil steigt.

Nordwest Zeitung: Ich zahle also künftig Steuern statt eines Rentenversicherungsbeitrags?

Meinhard Miegel: So ist es.

Nordwest Zeitung, 8. Mai 2009

Interview: Gunars Reichenbachs